Kündigung, Kündigungsschutz, Kündigungsschutzklage
I. Wenn Sie eine Kündigung erhalten haben:
- Unterschreiben Sie nichts ohne anwaltliche Beratung
- Geben Sie zur Kündigung keine Erklärung ab ohne anwaltliche Beratung
- Beachten Sie die Fristen (s. unten)
- Bitte Vollmacht (s. Vollmacht) unterschreiben und an mich zurückschicken.
- Falls Sie eine Rechtsschutzversicherung haben, die auch Arbeitsrechtsschutz umfasst, bitte ich Sie, mir den Namen und die Anschrift Ihrer Rechtsschutzversicherung, die Versicherungsscheinnummer und den Beginn der Rechtsschutzversicherung mitzuteilen.
- Wenn Sie nach Ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen können und wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 114 ZPO) erhalten Sie auf Antrag Prozesskostenhilfe.
- Bitte schicken Sie mir Ihren Arbeitsvertrag, Nachträge Ihres Arbeitsvertrages, Ihre letzte Gehaltsabrechnung, Gehaltsabrechnungen, die Sonderzahlungen enthalten.
- Die Kündigungsschutzklage muss spätestens 3 Wochen nach Zugang der Kündigung bei dem Arbeitsgericht eingehen.
- Wann haben Sie die Kündigung erhalten?
- Wie viele Arbeitnehmer beschäftigt Ihr Arbeitgeber?
- Gibt es einen Betriebsrat?
- Wo und in welcher Funktion haben Sie zuletzt gearbeitet?
- Gibt es offen stehende Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis?
- Bitte beachten Sie, dass in dem Arbeitsvertrag und/oder in Tarifverträgen Ausschlussfristen für die Geltendmachung von Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis geregelt sein könnten.
- Zur Vermeidung einer Sperrzeit haben Sie sich persönlich bei der zuständigen Agentur für Arbeit spätestens 3 Monate vor der Beendigung des Vertragsverhältnisses arbeitssuchend zu melden. Liegen zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses weniger als 3 Monate, hat die Meldung innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zu erfolgen.
II. 1. Das Kündigungsschutzgesetz ist anwendbar, wenn
- das Arbeitsverhältnis der Parteien länger als 6 Monate besteht.
- der Arbeitgeber in der Regel mehr als 10 vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten beschäftigt.
2. Die Kündigung ist sozial nicht gerechtfertigt, wenn sie weder durch Gründe, die in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers liegen, noch durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in dem Betrieb des Arbeitgebers entgegenstehen, bedingt ist.
Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat.
Auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben.
In die soziale Auswahl sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 7.2. 1985, 2 AZR 91/84 AP 9 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl, 15.6.1989 2 AZR 580/88 AP Nr.18 zu § 1 KSchG 1969; 5.12.2002 EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 52) richtet sich die Vergleichbarkeit der in die Sozialauswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer in erster Linie nach objektiven, arbeitsplatzbezogenen Merkmalen, und somit nach der bisherigen Tätigkeit. Vergleichbar sind Arbeitnehmer, die austauschbar sind. Es ist zu prüfen, ob der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatz weggefallen ist, die Funktion anderer Arbeitnehmer wahrnehmen kann. Das ist nicht nur bei Identität des Arbeitsplatzes, sondern auch dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer aufgrund seiner Fähigkeiten und Ausbildung eine andersartige, aber gleichwertige Tätigkeit ausführen kann. Der Vergleich vollzieht sich insoweit auf derselben Betriebsebene (horizontale Vergleichbarkeit).
An der Vergleichbarkeit kann es trotzdem noch fehlen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht aufgrund seines Direktionsrechts einseitig auf den anderen Arbeitsplatz versetzen kann.
III. Eine Kündigung kann auch außerhalb des Geltungsbereiches des Kündigungsschutzgesetzes unwirksam sein, wenn sie gegen die guten Sitten verstößt, § 138 BGB.
Sittenwidrig ist die Kündigung, wenn sie auf einem verwerflichen Motiv des Kündigenden beruht und dem Anstandsgefühl aller Billig- und Gerechtdenkenden widerspricht (BAG vom 21.07.1988, NZA 1989, S. 559).
Auch das LAG Thüringen hat am 19.06.2007 unter Bezugnahme auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27.01.1998 entschieden, dass Arbeitnehmer durch die zivilrechtlichen Generalklauseln vor einer sitten- oder treuwidrigen Ausübung des Kündigungsrechts des Arbeitgebers geschützt sind, wenn die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes nicht greifen:
im Falle ihrer Herausnahme aus dem gesetzlichen Kündigungsschutz sind Arbeitnehmer nicht völlig schutzlos gestellt. Wo die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes nicht greifen, sind die Arbeitnehmer durch die zivilrechtlichen Generalklauseln vor einer sitten- oder treuwidrigen Ausübung des Kündigungsrechts des Arbeitgebers geschützt. Im Rahmen dieser Generalklauseln ist auch der objektive Gehalt der Grundrechte zu beachten. Der verfassungsrechtlich gebotene Mindestschutz des Arbeitsplatzes vor Verlust durch private Disposition ist damit in jedem Fall gewährleistet. Wie weit dieser Schutz im Einzelnen reicht, ist von den Arbeitsgerichten zu entscheiden. In sachlicher Hinsicht geht es vor allem darum, Arbeitnehmer vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen zu schützen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.01.1998 - 1 BvL 15/87 -, NJW 1998, 1475). Insofern können außerhalb des Geltungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes ausgesprochene Kündigungen insbesondere wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 Abs. 1 BGB) oder wegen eines Verstoßes gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) rechtsunwirksam sein (vgl. hierzu vor allem BAG, Urteil vom 23.06.1994, NJW 1995, 275).
Eine Kündigung ist rechtsunwirksam, wenn die Kündigung gegen Treu und Glauben oder gegen das Benachteiligungsverbot des § 612a BGB verstößt (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 16.08.2007, Az.2 Sa 261/07)
Wenn das Arbeitsverhältnis z.B. gekündigt wird, weil der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt war, trotzdem aufgefordert wurde zu arbeiten und sich wegen krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit geweigert hat zu arbeiten, weist die Kündigung eine mit dem Anstandsgefühl billig und gerecht denkender Bürger nicht mehr zu vereinbarende Komponente auf und beruht auf einer mit den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht zu vereinbarenden Willkürhandlung des Arbeitgebers.