Weiterbeschäftigungsanspruch
Zu den Rechten aus dem Arbeitsverhältnis gehört auch ein klagbarer Anspruch auf Weiterbeschäftigung, den der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts aus § 611 BGB i.V.m. § 242 BGB, Art. 1 u. 2 GG abgeleitet hat (BAG GS EzA zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 9).
Der Beschäftigungsanspruch besteht während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses und ist zu bejahen, wenn die Kündigung unwirksam ist und überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers nicht entgegenstehen.
Das Interesse des Arbeitnehmers überwiegt in der Regel ab dem Zeitpunkt, zu dem im Kündigungsschutzprozess ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes Urteil ergeht (Hess LAG, 12.05.06 - 12 Sa 953/04).
Weiterbeschäftigung im Wege der einstweiligen Verfügung nach Kündigung und Freistellung
1. Verfügungsgrund, § 62 Abs. 2 S. 1 ArbGG i.V.m. §§ 935, 940 ZPO:
Nach gefestigter Rechtsprechung des Hessischen Landesarbeitsgerichts (z.B. 03.03.2005 - 9 SaGa 2286/04; 19.08.2002 - 16 SaGa 1118/02; 10.05.2010 - 16 SaGa 341/10) ergibt sich der Verfügungsgrund bereits daraus, dass der Verfügungsanspruch besteht und durch Zeitablauf vereitelt wird, wenn dem Arbeitgeber die Beschäftigung nicht durch einstweilige Verfügung aufgegeben wird. Einer besonderen Dringlichkeitssituation bedarf es nicht, da die einstweilige Verfügung gerade den Zweck hat, den endgültigen Rechtsverlust durch die lange Dauer des Hauptsacheverfahrens zu vermeiden (Hess. LAG 23.03.2004 - 15 SaGa 401/04; 10.05.2010 - 16 SaGa 341/10).
2. Verfügungsanspruch:
a) Der Arbeitnehmer hat im bestehenden Arbeitsverhältnis grundsätzlich einen Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung (ständige Rechtsprechung des BAG, z.B. BAG vom 27.02.1985 - GS 1/84).
Rechtsgrundlage des Beschäftigungsanspruchs sind die §§ 611, 613 BGB i.V.m. § 242 BGB. Dieser wird ausgefüllt durch die Wertentscheidung des Artikels 1, 2 und 12 GG. Danach ist die tatsächliche Beschäftigung im Arbeitsleben neben der reinen Vergütungszahlung ein wesentliches Element bei der sozialen Wertschätzung des Arbeitnehmers. Eine Freistellung greift gravierend in das Grundrecht des Arbeitnehmers aus Art. 12 GG ein (BAG vom 27.02.2002 - 9 AZR562/00; Korinth, Einstweiliger Rechtsschutz im Arbeitsgerichtsverfahren, 2.Auflage, I Rn. 63).
Der Beschäftigungsanspruch besteht grundsätzlich auch nach Ausspruch einer Kündigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist (BAG vom 19.08.1976 - 3 AZR 173/75 und vom 26.05.1977 - 2 AZR 632/76; ArbG Frankfurt/M. vom 26. Februar 2013 - 10 Ga 24/13).
Dieser Anspruch muss nur zurücktreten, wenn überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen (BAG Beschluss vom 27.02.1985 - GS 1/84-NZA 1985, 702, 703; Hess. LAG 10.05.2010 - 16 SaGa 341/10).
Der Arbeitgeber hat sein Interesse an der Nichtbeschäftigung im Sinne einer Einwendung vorzubringen und ist für deren Bestehen darlegungs- und beweispflichtig (LAG München vom 07.05.2003 - 5 Sa 344/03 und vom 19.08.1992 - 5 TA 185/92, NZA-RR 1993,1130; Korinth, a.a.O., I Rn. 77).
Einem Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers können nur besondere schutzwürdige Interessen der Arbeitgebers entgegenstehen, die den Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers deutlich überwiegen (vgl. BAG GS 27.02.1985, DB 85, 2197).