Internetnutzung
Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung kann vorliegen, wenn der Arbeitnehmer das Internet während der Arbeitszeit zu privaten Zwecken in erheblichem zeitlichen Umfang nutzt und damit seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt.
Die exzessive Nutzung des Internets während der Arbeitszeit zu privaten Zwecken kann eine schwere Pflichtverletzung des Arbeitsvertrags sein, die den Arbeitgeber ohne vorausgegangene Abmahnung zu einer fristgemäßen Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus verhaltensbedingten Gründen berechtigen kann.
Die Installation einer Anonymisierungssoftware stellt eine erhebliche Vertragsverletzung dar und kann zur Kündigung führen.
In folgenden Fällen hielt das Bundesarbeitsgericht die Kündigung des Arbeitnehmers wegen der Internetnutzung des Arbeitnehmers während der Arbeitszeit zu privaten Zwecken für begründet und hat die Abweisung der Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers in den Vorinstanzen nicht beanstandet:
I. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12. Januar 2006, 2 AZR 179/05
- Unerlaubte Installierung einer Anonymisierungssoftware auf dem Dienst-PC und unerlaubte Nutzung des Internets durch einen Angestellten im öffentlichen Dienst;
- Dienstanweisung, wonach Softwareinstallation auf den PCs und eine private Nutzung des Inter Netz unzulässig ist;
- entsprechende Informationsschreiben des Arbeitgebers und Erinnerungsschreiben des Arbeitgebers;
- Herunterladen von Software und Gefährdung des EDV-Netzes;
- Herunterladen einer Software, die die Internetbenutzung des Klägers auch für den Arbeitgeber nicht mehr nachvollziehbar macht;
- Eigenmächtige Veränderung von technischen Arbeitsmitteln des Arbeitgebers;
- die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens war dem Kläger ohne weiteres erkennbar;
- Mit der Installation der Anonymisierungssoftware hat der Kläger nicht nur in das Betriebsmittel seines Arbeitgebers erheblich eingegriffen, sondern dem Arbeitgeber auch die Möglichkeit genommen, seine technisches Betriebsmittel gegebenenfalls zu überwachen beziehungsweise zu kontrollieren;
- Die Installation durch den Kläger erfolgte heimlich;
- Die Installation der Anonymisierungssoftware durch den Kläger erfolgte bewusst zur Umgehung einer möglichen Kontrolle durch den Arbeitgeber
II. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.4.2006, 2 AZR 386/05
- der Kläger war bei dem Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung beschäftigt;
- der Internetzugang darf nach der einschlägigen Dienstvorschrift nicht zu privaten Zwecken genutzt werden, auf diese Regelung weist die Beklagte aller Internetbenutzer in regelmäßigen Abständen von zwei Jahren hin;
- die Sicherheitsbelehrung enthält auch einen ausdrücklichen Hinweis auf arbeitsrechtliche Konsequenzen im Falle des Verstoßes;
- der Kläger hat ein ausdrückliches und fortlaufend wiederholtes Verbot des Arbeitgebers missachtet, das Internet privat zu nutzen und innerhalb von mehr als zwei Monaten fast täglich, insgesamt in erheblichem Umfang privat im Internet gesurft und damit hartnäckig und uneinsichtig gegen die Weisung des Arbeitgebers verstoßen;
- als kündigungsrelevante Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten bei einer privaten Nutzung des Internets kommt unter anderem in Betracht das Herunterladen einer erheblichen Mengen von Daten aus dem Internet auf betriebliche Datensysteme (unbefugter Downloads), private Nutzung des vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Internetanschlusses, weil durch die dem Arbeitgeber möglicherweise zusätzliche Kosten entstehen können und der Arbeitnehmer jedenfalls die Betriebsmittel unberechtigterweise in Anspruch genommen hat;
- die private Nutzung des vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Internets während der Arbeitszeit, weil der Arbeitnehmer während des Surfens im Internet zu privaten Zwecken seine arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht erbringt und dadurch seine Arbeitspflicht verletzt
- Die Pflichtverletzung wiegt um so schwerer, je mehr der Arbeitnehmer bei der privaten Nutzung des Internets seine Arbeitspflicht in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht vernachlässigt;
- der Kläger hat mehr als 2 Monate lang fast täglich das Internet in einem Umfang zwischen circa 15 Minuten und knapp drei Stunden verbotswidrig privat genutzt, in circa 10 Wochen betrug die Zeit der privaten Internetnutzung mehr als einer Woche;
- der Kläger hat sich die Zeiten, in denen er sich verbotswidrig ohne Kenntnis seines Arbeit- gebers am Arbeitsplatz mit privaten Dingen beschäftigt hat, als Arbeitszeit hat bezahlen lassen,
- der Kläger hat in großem Umfang entgegen einem ausdrücklichen und ihm gegenüber noch kurz zuvor wiederholten Verbot sein Arbeitsmittel dazu benutzt, privaten Tätigkeiten nachzu- gehen,
- die Gefahr einer Rufschädigung der Beklagten entstand bei der Art der privaten Nutzung des Internets durch den Kläger allein dadurch, dass der Kläger umfangreich fast täglich die verschiedensten Internetseiten aufrief, um sich mit Pornographie zu beschäftigen;
- die Befassung mit pornographischen Darstellungen kann die Gefahr einer Rückverfolgung an den Nutzer mit sich bringen und damit den Eindruck erwecken, eine Behörde, hier des Bundesministers der Verteidigung, befasse sich anstatt mit ihren Dienstaufgaben beispielsweise mit Pornographie;
- es bestand die Gefahr, dass allein durch die Ermittlungen im Hause und das eingeleitete Strafverfahren die Verfehlungen des Klägers einem größeren Personenkreis zur Kenntnis gebracht werden mussten und eine verbreitete Kenntnis dieser Ermittlungen war kaum zu vermeiden;
- die Beklagte, die als Behörde Sicherheitsvorschriften unterliegt, musste ein besonderes Interesse daran haben, dass nicht sie oder einer ihrer Arbeitnehmer mit Dingen in Verbindung gebracht wurde, die den Verdacht nahelegten, sie seien strafrechtlich relevant;
- von einem Angestellten des Bundes ist zu erwarten, dass er sich nicht monatelang fast täglich zwischen circa eine Viertelstunde und knapp drei Stunden mit Pornographie im Internet beschäftigt, anstatt seine Dienstpflichten zu erfüllen;
- wenn der Eindruck entstehen sollte, Mitarbeiter in zivilen Dienststellen der Bundeswehr beschäftigten sich anstatt mit Dienstaufgaben zu einem erheblichen Teil ihrer Arbeitszeit mit dem betrachten von Pornoseiten im Internet, so ist ein solcher Eindruck dem Ansehen der Bundeswehr in der Öffentlichkeit insgesamt höchst abträglich.
III. In seinem Urteil vom 26.02.2010, Aktenzeichen 6 Sa 682/09, hat das LAG Main dem wegen Internetnutzung zu privaten Zwecken während der Arbeitszeit gekündigten Arbeitnehmer Recht gegeben mit folgender Begründung:
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 27. April 2006 - 2 AZR 386/05 - greife das Abstellen allein auf die Missachtung des Verbots der privaten Internetnutzung als Pflichtverletzung zu kurz; es müsse zu weitergehenden Pflichtverletzungen kommen, wie ein unbefugter Download, die Verursachung zusätzlicher Kosten und Verletzungen der Arbeitspflicht.
Die Beklagte verweise nur pauschal auf die Verletzung der Arbeitspflicht, wobei noch umstritten sei, ob mit Ausnahme des Zugriffs auf die S-Bank, die übrigen Zugriffe nicht sogar dienstlich erfolgt seien. Im Übrigen sei während der Pausenzeiten eine Arbeitspflichtverletzung nicht möglich. Die Beklagte gäbe die Lage der Pausenzeiten nicht an. Zumindest bei den Zugriffen am 08. Dezember 2008 um 11:54 Uhr, 09. Dezember um 11: 47 Uhr, 10.Dezember um 11:34 Uhr und 12:26 Uhr sowie am 11. Dezember um 12:36 Uhr, 12:46 Uhr oder 13:46 Uhr könnte es sich um solche während der Mittagspause gehandelt haben. Bei den übrigen Zugriffen während der Arbeitszeit fehle es an einem Vortrag dazu, wie lange der Kläger im Internet verweilt habe. Es fehle wegen des im Kündigungsrecht geltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes an einer Abmahnung, die vorliegend auch nicht entbehrlich sei, da keine exzessiven Nutzung habe festgestellt werden können. Die Kontostandsabfrage bei der S-Bank habe nach dem Vortrag des Klägers allenfalls 20 Sekunden betragen. Es habe kein Surfen vorgelegen. Die vom Kläger unterzeichnete Erklärung vom 04. August 2004 selbst sähe eine Sanktionierung mit arbeitsrechtlichen Mitteln vor. Dies sei eine Abmahnung. Der Vorgesetzte des Klägers - Herr Z. - habe diesem gestattet, den Zugangscode zu benutzen, um den Kontostand abzufragen. Ihren Vortrag zu nur einer einmaligen Erlaubnis und zum Zeitpunkt ihrer Erteilung substantiiere die Beklagte nicht, so dass die Vernehmung des Zeugen Z. einen Ausforschungsbeweis darstelle. Im Übrigen könne auch ein Missverständnis hinsichtlich der Erlaubnis vorliegen.
2. Soweit die Berufung unter Darstellung der vorliegend tatbestandlich wiedergegebenen Zeiten der Mittagspause vom 03.12.-29.12.2008 ausführt, dass - insoweit im Gegensatz zu den Feststellungen des Arbeitsgerichts - die Internetzugriffe des Klägers während seiner Arbeitszeit erfolgten, führt dies gleichwohl aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen zu keiner von der Vorinstanz abweichenden Bewertung. Die Berufungskammer unterstellt den diesbezügliche Vortrag der Beklagten als zutreffend, meint jedoch, dass der Arbeitgeber seiner Darlegungslast zur Feststellung einer erhebliche Beeinträchtigung der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung entsprechend der Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 07.05.2005 - 2 AZR 581/04 -) nicht so nachgekommen ist, dass eine Sozialgemäßheit der ausgesprochenen Kündigung anzunehmen wäre. Es fehlt nämlich an der Darstellung der Verweildauer des Klägers an den fraglichen Tagen im Internet; dies wäre insbesondere im Hinblick auf dessen Einwand, dass etwa Rückfragen bei seiner Bank zum Kontostand allenfalls 20 Sekunden betragen hätten, erforderlich gewesen, um die Schwere der behaupteten Pflichtverletzungen entsprechend der weiteren Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 27.04.2006 - 2 AZR 386/05 -) festzustellen. Die Dauer der Zugriffe ist - wie der Berufungskammer aus anderen Verfahren bekannt ist - grundsätzlich technisch feststellbar. Dass dies bei der Beklagten nicht möglich ist, kann für den darlegungspflichtigen Arbeitgeber aus zivilprozessualen Gründen zu den gegebenen Nachteilen führen. In tatsächlicher Hinsicht konnte der Kläger in der mündlichen Verhandlung ohne qualifizierten Widerspruch der Beklagten auch darlegen, dass er nicht nur mit reinen Umbrucharbeiten am Rechner befasst war, sondern zu bestimmten Zeiten, insbesondere am Donnerstagnachmittag und Freitagvormittag, mit dem Setzen von Anzeigen befasst war und er mit seinem PC, auf welchem, wie auch bei weiteren PC´s, der Zugangscode des Vorgesetzten installiert war, durchaus auch zu dienstlichen Zwecken im Internet war. Dies sei etwa zur Eruierung eines für ein in einer Anzeige aufzunehmenden Logos der Fall gewesen und erkläre die Zugriffe auf www.safari.de und www.chefkoch.de. Unwidersprochen blieb auch der weitere Vortrag des Klägers, dass er öfters im Haus "unterwegs" gewesen sei beispielsweise in der Fremddatenabteilung und ferner, 2-3 Auszubildende hätten seinen Rechner nutzen dürfen. Damit ergibt sich - insoweit entgegen der Auffassung der Berufung - gerade auf der Basis der aufgezeigten Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 27.04.2006 a. a. O.) keine ausreichende Möglichkeit, eine erhebliche Beeinträchtigung der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung und damit einen, die soziale Rechtfertigung begründenden, Kündigungssachverhalt festzustellen.
3. Auch soweit die Berufung der Ansicht ist, dass wegen der vom Kläger unterzeichneten Mitarbeitererklärung vom 04. August 2004 - im Tatbestand dargestellt - einer Abmahnung entbehrlich sei, vermag dem die Berufungskammer auch nicht im Hinblick darauf, dass am 24.10., 31.10. und 07.11.2008 wegen anderweitiger Pflichtverletzungen Abmahnungen erfolgt seien, zu folgen. Für eine verhaltensbedingte Kündigung gilt - wie die Beklagte im Ansatz zutreffend sieht - das Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht eine Sanktion für eine begangene Vertragspflichtverletzung, sondern die Vermeidung des Risikos weiterer erheblicher Pflichtverletzungen. Die vergangene Pflichtverletzung muss sich hierbei noch in Zukunft belastend auswirken (vgl. BAG, Urteil vom 31.05.2007 - 2 AZR 200/06 - und vom 12.01.2006 - 2 AZ R 179/05 - = EzA KSchG § 1 verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Eine negative Prognose liegt vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde auch künftig den Arbeitsvertrag nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen (vgl. ErfK/Ascheid/Oetker, 7. Aufl., § 1 KSchG Rn. 297). Deshalb setzt eine Kündigung wegen Arbeitsvertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus, diese dient der Objektivierung der Negativprognose. Liegt eine ordnungsgemäße Abmahnung vor und verletzt der Arbeitnehmer erneut seine vertragliche Verpflichtungen, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen (vgl. BAG, Urteil vom 13.12.2007 - 2 AZR 818/06 -). Wegen einer Pflichtverletzung im Verhaltensbereich bedarf es analog § 323 Abs. 2 BGB nur dann keiner Abmahnung, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorgelegen haben, aufgrund derer eine Abmahnung als nicht erfolgversprechend angesehen werden kann (vgl. BAG vom 19.04.2007 - 2 AZR 180/06 .- = NZA-RR 2007, 571). Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn erkennbar ist, dass der Arbeitnehmer nicht gewillt ist, sich vertragsgerecht zu verhalten. Nur besonders schwere Vorwürfe bedürfen keiner Abmahnung, weil hier der Arbeitnehmer von vorneherein nicht mit einer Billigung seines Verhaltens rechnen kann (vgl. ErfK/Müller/Glöge 230 BGB § 626 Rz. 28, 29).
Angesichts der obigen Feststellungen zum Sachverhalt und insbesondere den von der Beklagten auch im Berufungsverfahren nicht deutlich widerlegten Bekundungen des Klägers zu einer notwendigen dienstlichen Nutzung des Internets, bestehen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass eine Abmahnung des Klägers nicht von Erfolg gekrönt gewesen wäre. Besonders schwere Verstöße lassen sich nicht feststellen - auch nicht unter dem Aspekt der Unterzeichnung der Mitarbeitererklärung vom 04. August 2004, die zum einen zeitlich lange zurückliegt und zum anderen inhaltlich, die Notwendigkeit arbeitsrechtlicher Sanktionen gerade selbst "vorschreibt". Hierzu gehört als "Vorstufe" einer verhaltensbedingten Kündigung grundsätzlich die zu fordernde Abmahnung.