Betriebsstilllegung
Unter einer Betriebsstilllegung ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und zugleich ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der Arbeitgeber die wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen, endgültigen Absicht einstellt, den bisherigen Betriebszweck dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmten, wirtschaftlich nicht unerheblichen Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen (BAG vom 24.02.2005, NZA 2005, 867).
Der arbeitsgerichtlichen Prüfung unterliegt, ob eine bestimmte Unternehmerentscheidung tatsächlich vorliegt.
Die Stilllegungsentscheidung hat zwei inhaltliche Elemente, die kumulativ erfüllt sein müssen:
- die vollständige Einstellung der Produktion bzw. Dienstleistungserbringung
- die Auflösung der dem Betriebszweck dienenden Organisation.
Erforderlich ist, dass der Arbeitgeber die rechtlichen Maßnahmen ergriffen hat, um die von ihm organisierte Zusammenarbeit der Arbeitnehmer im Betrieb zu beenden bzw. aufzulösen (vgl. BAG vom 21.06.2001, NZA 2002, 212).
Im maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung muss der ernsthafte Entschluss vorliegen, den Betrieb endgültig und nicht nur vorübergehend still zu legen. Dazu muss die unternehmerische Stilllegungsentscheidung bereits im Kündigungszeitpunkt greifbare Formen angenommen haben und eine vernünftige betriebswirtschaftliche Betrachtung die Prognose rechtfertigen, dass die Arbeitnehmer nach dem Auslauf der Kündigungsfrist entbehrt werden können (BAG vom 24.02.2005, NZA 2005, 867).
Greifbare Formen hat die angebliche Entscheidung der Beklagten im Kündigungszeitpunkt noch nicht angenommen.
Von den Arbeitsgerichten ist voll nachzuprüfen, ob eine unternehmerische Stilllegungsentscheidung, die greifbare Formen angenommen hat, tatsächlich vorliegt und durch ihre Umsetzung das Beschäftigungsverhältnis für die gekündigten Arbeitnehmer entfallen ist. Die unternehmerische Entscheidung selbst ist nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG vom 30.04.1987, NZA 1987, 776).
Eine Stilllegungsabsicht des Arbeitgebers liegt nicht vor, wenn dieser seinen Betrieb veräußert. Die Veräußerung des Betriebes ist keine Stilllegung, weil die Identität des Betriebes gewahrt bleibt und lediglich ein Betriebsinhaber- wechsel stattfindet. Betriebsveräußerung und Betriebsstilllegung schließen sich systematisch aus. Dabei kommt es auf das tatsächliche Vorliegen des Kündigungsgrundes und nicht auf die vom Arbeitgeber gegebene Begründung an. Eine vom Arbeitgeber mit einer Stilllegungsabsicht begründete Kündigung ist nur dann sozial gerechtfertigt, wenn sich die geplante Maßnahme objektiv als Betriebsstilllegung nicht als Betriebsveräußerung darstellt, weil etwa die für die Fortführung des Betriebes wesentlichen Gegenstände einem Dritten überlassen werden sollten, der Veräußerer diesen Vorgang aber rechtlich unzutreffend als Betriebsstilllegung wertet (vgl. BAG 28.05.2009, 8 AZR 273/08, juris).
Der Arbeitgeber hat darlegen und beweisen, dass eine Betriebsstilllegung und kein Betriebsübergang (§ 613a BGB) vorliegt.
Nach ständiger neuerer Rechtsprechung setzt ein Betriebsübergang gemäß § 613 a BGB die Wahrung der Identität der Übertragung in eine wirtschaftliche Einheit voraus.
Der Begriff Einheit bezieht sich dabei auf eine organisatorische Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Er darf nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden, dass heißt eine reine Funktionsnachfolge stellt keinen Betriebsübergang dar. Die Identität ergibt sich auch aus anderen Merkmalen wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden, den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln (Gebäude, bewegliche Güter), den Übergang und Wert der immateriellen Aktiva, Übergang der Kundschaft. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien kommt nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach dem Produktions- und Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu (vgl. BAG vom 13.11.1997, NJW 1998, 1883; vom 11.12.1997, NZA 1998, 532).
Entscheidend für die Abgrenzung, ob eine Betriebsstilllegung oder ein Betriebsübergang vorliegt, wird die Frage der Wahrung der Identität der übertragenen wirtschaftlichen Einheit unter Berücksichtigung der oben genannten Gesichtspunkte sein. Die räumliche Distanz - auch bei Verlegungen ins Ausland - allein ist nicht ausschlaggebend (vgl. zur Betriebsverlegung BAG vom 27.09.2001, NZA 2002, 696; vom 20.04.1989, NZA 1990, 32).
Werden die für den jeweiligen Betriebszweck wesentlichen materiellen und bzw. oder immateriellen Betriebsgrundlagen oder Teile davon funktionsfähig in die Betriebsstätte verlegt, sodass der Erwerber mit den übernommenen Mitteln den Betriebszweck im Wesentlichen unverändert fortführen kann, so liegt keine Betriebsstilllegung vor.
In Betriebsmittel geprägten Betrieben kann ein Betriebsübergang auch ohne Übernahme von Personal vorliegen, wenn der Betriebsübernehmer Betriebsmittel des Vorgängers übernimmt. Sächliche Betriebsmittel sind im Rahmen einer Auftragsneuvergabe wesentlich, wenn bei wertender Betrachtungsweise ihr Einsatz den eigentlichen Kern des zur Wertschätzung erforderlichen Funktionszusammenhanges ausmacht und wenn sie somit unverzichtbar zur auftragsgemäßen Verrichtung der Tätigkeiten sind (BAG, Urteil vom 28.05.2009, 8 AZR 273/08; BAG vom 17.08.2007, 8 AZR 1043/06).
Eine Kündigung wegen Betriebsstillegung ist rechtsunwirksam, wenn sie der Arbeitgeber vor einer nach § 17 I KSchG erforderlichen, den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Anzeige ausgesprochen hat (BAG vom 20.09.2006, 6 AZR 219/06, vom 12.07.2007, 2 AZR 619/05; BAG vom 28.05.2009, a.a.O.).
Die Kündigung ist unwirksam, wenn der Arbeitgeber seine Unterrichtungs- und Beratungspflicht gegenüber dem Betriebsrat nach § 17 II KSchG nicht erfüllt hat (vgl. Erfurter Kommentar, 9. Auflage, § 17 KSchG, Rn. 36; KR/Weigand, 9. Auflage, § 17 KSchG, Rn. 101).
Die Wirksamkeit der Massenentlassungsanzeige kann auch am § 17 III 1 - 3 KSchG scheitern.
Danach hat der Arbeitgeber der Agentur für Arbeit mit der Massenentlassungsanzeige eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten, die zumindest den § 17 II 1 Nr. 1 - 5 KSchG vorgeschriebenen Angaben enthält (§ 17 II 1 KSchG).
Der Massenentlassungsanzeige ist - wie von § 17 III 2 KSchG gefordert - die Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen beigefügt.
Fehlt eine solche, so hat der Arbeitgeber nach § 17 III 3 KSchG glaubhaft zu machen, dass er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach § 17 III 1 KSchG unterrichtet hat, um den Stand der Beratungen darzulegen.
Eine Kündigung ist nach § 102 I 3 BetrVG unwirksam, wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat über die beabsichtigte Kündigung nicht ordnungsgemäß im Sinne § 102 I 1 und 2 BetrVG angehört hat. Die ordnungsgemäße Durchführung der Betriebsratsanhörung gemäß § 102 BetrVG muss der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess im vollem Umfang darlegen und beweisen.